Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hat brisante Folgen für die Musikindustrie. Nach der Entscheidung des Gerichts dürfen Daten nur noch bei schweren Straftaten an die Ermittler weiter gegeben werden. Damit brechen schwere Zeiten für Piratenjäger an: Der private Download fällt nicht in diese Kategorie von Rechtsbrüchen. Experten halten die Ermittlung von Filesharern über ihre Verbindungsdaten nun für illegal.
"Ganz erhebliche Konsequenzen" für die Praxis der Musikindustrie erwartet nun etwa der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar. Die bisherige Praxis, Tauschbörsenteilnehmer über deren IP-Adressen ermitteln zu lassen, sei nach dem Urteil aus nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die Speicherung der Verbindungsdaten sei zwar weiterhin zulässig. Die Weitergabe dieser Daten sei aber nun an besonders strenge Regeln gebunden.
Verletzung des Urheberrechts keine schwere Straftat
Der Download von Raubkopien aus dem Internet bleibt zwar weiterhin strafwürdig. Jedoch dürfen nach dem Spruch der Karlsruher Richter Verbindungsdaten nur bei "besonders schweren Straftaten" zur Ermittlung herangezogen werden. Dazu gehören Mord, Raub und Kinderpornografie, aber auch Geldwäsche, Korruption, Steuerhinterziehung und Betrugsdelikte. Die Straftat muss aber auch im konkreten Fall schwerwiegend sein, außerdem muss der Verdacht durch "bestimmte Tatsachen" begründet und eine Aufklärung ohne die Daten wesentlich erschwert sein. Ein leichter Betrug oder eine unbedeutende Urkundenfälschung genügen hier nicht – genauso wenig wie Verletzungen des Urheberrechts.
Staatsanwaltschaften müssen nicht mehr ermitteln
Damit sind die Daten von Musikpiraten nun zunächst vor dem Zugriff der Piratenjäger geschützt. Die Staatsanwaltschaften seien nun nicht mehr verpflichtet, nach Anzeigen der Musikindustrie die Klarnamen von Raubkopierern über deren IP-Adressen zu ermitteln, so Datenschützer Schaar. Ausnahme bleiben nur organisierte Banden wie der kürzlich aufgeflogene FTP-Tauschring in Chemnitz. Nur hier liegt eine besondere Schwere der Straftat vor – private Raubkopierer dürften nun kaum noch aufzuspüren sein.
Bei der Abwägung der Folgen ihrer Entscheidung gingen die Richter von einer "erheblichen Gefährdung" des Persönlichkeitsschutzes aus. "Von der Datenbevorratung ist annähernd jeder Bürger bei jeder Nutzung von Telekommunikationsanlagen betroffen, so dass eine Vielzahl von sensiblen Informationen über praktisch jedermann für staatliche Zugriffe verfügbar ist", heißt es in dem Beschluss. Sebastian Knöll, Pressesprecher des Bundesverbands der Musikindustrie widerspricht den datenschutzrechtlichen Bedenken der Richter. "Datenschutz kann auf keinen Fall Deckmantel für unrechtmäßiges Handeln sein."
Deckmantel für unrechtmäßiges Handeln
Für die privaten Ermittler der Musikindustrie war es gerade die IP-Adresse, über die sich die Jagd auf Raubkopierer starten ließ. Organisationen wie die aus dem deutschen Ableger der International Federation of Phonographic Industrie (IFPI) hervorgegangenen ProMedia. Dort sucht ein Team von über hundert Spürnasen im Schichtdienst nach Musikpiraten. Dabei bewegen sich die Ermittler in den gängigen Tauschbörsen und suchen nach Anbietern von illegalen Musikdateien. Wer hier mehrere hundert Musikdateien zum Download anbietet, wird genauer unter die Lupe genommen.
IP-Adresse zentrales Element der Fahndung
Die privaten Fahnder stellen dabei alle relevanten Daten fest: Art der getauschten Musik, Umfang des Download-Angebots, den Internetprovider des verdächtigen und eben die IP-Adresse. Dieser Datensatz geht dann als Sammlung an die Anwälte der Musikindustrie. Bisher wurde aufgrund dieser Informationen dann Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte dann den Anschlussinhaber zu der genannten IP-Adresse. Dem drohten dann strafrechtliche Konsequenzen sowie im schlimmsten Fall eine Zivilklage der Rechteinhaber.
Urteil ist zunächst vorläufig
Die Anordnung der Verfassungsrichter gilt zunächst ein halbes Jahr, kann aber verlängert werden. Bis zum 1. September, so das Gericht, solle die Bundesregierung über die Bedeutung der Speicherung für die Strafverfolgung sowie über die Nachteile der Teilaussetzung berichten. Die Anordnung könne dann gegebenenfalls geändert werden.
Gruß
Red Benz
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